Benjamin ist klasse, hat aber ernstzunehmende Baustellen. Angst vor Männern, plötzlich auftretenden lauten Geräuschen, etc. Er verändert sich momentan täglich, wird munterer und agiler. Wenn ich an Kika denke, die anfangs täglich bereits in der Wohnung etliche Kilometer zurücklegte, ist er allerdings sehr entspannt.
Dafür ist er Sammler aus Leidenschaft und "braucht" wirklich ALLES! Socken, Strickzeug, Rätselhefte, Hundegeschirre und Kugelschreiber tragen schon Spuren seiner grandiosen Kauwerkzeuge. Ein Jackenreißverschluss taugt auch nicht mehr, der kuschelige Fleecestoff fand immerhin Benjamins Zustimmung.
Gestern bahnte sich ein mittelschweres Drama an. Drei Hunde, drei Stücke Rinderkopfhaut. Entspanntes Schmatzen. Als Kika ihr Leckerli aus den Augen lässt, nimmt sich Benjamin das verwaiste Stück. Kurze Zeit später flattert Madame aufgeregt durch die Bude wie eine herrschaftliche Mamsell, deren Sonntagsbraten aus der Küche verschwand. Schließlich saß sie auf dem Flur und heulte. Und ihr Spitzenhäubchen saß schief.
Heute Abend hat Benjamin das Büffelhorn unter dem Sofa hervorgekramt, jetzt hoffe ich u. a. auf Gnade für mein Mobiliar.
Verkuschelt ist der junge Charmeur auch. Er fragt sehr höflich an, ob er sich auf dem Sofa dazugesellen darf und klettert nach Einladung vorsichtig hinauf.
Clever ist der Hübsche zu allem Überfluss auch noch. Kürzlich wurde im Bad eine von zwei Wasseruhren erneuert. Benjamin klebte geradezu am neuen Modell... Mit Nasenarbeit wird er sicherlich nicht nur passend gefordert und gefördert werden können, sondern ganz bestimmt auch Selbstbewusstsein aufbauen.
Ein Pünktchen Kritik verhindert das Durchstarten des jungen Mannes zur Universität: Er kann nicht lesen und pipiliert (markiert) zwischendurch in der Wohnung. Inzwischen schlafe ich im Wohnzimmer und lasse die Terrassentür nachts auf. Und dennoch... Wir arbeiten dran.
Heute Nachmittag stand Benjamins erster Spaziergang ohne die Mädels an. Es geht raus aus der Komfortzone. Fünf Meter Schleppleine. Sonne, Waldrand, fast keine Menschen. Alle paar Meter ein kurzer Blick zu mir, ein kurzes Anstupsen beim Laufen, er hält den Kontakt von sich aus. Am Theater wäre Benjamin die Idealbesetzung des Jugendlichen Helden. Der Nachwuchsheld erkundete die Wegränder, hielt die Nase in den Wind und benahm sich, als wären wir schon ewig gemeinsam unterwegs. Das, liebe Leser, ist GLÜCK!
Das Glück war uns richtig hold, als uns eine Bekannte mit ihren vier Hunden begegnete. Ich war mit Benjamin auf Abstand gegangen, damit kein Stress aufkommt. Ihr Rüde ist extrem freundlich und forderte Benjamin gleich zum Spiel auf. Ohne Leine hätten die Jungs vermutlich gleich den Acker umgepflügt... So durften sie Freundschaft schließen und sich für später verabreden. In der nächsten oder übernächsten Woche auf gut gesichertem Grundstück natürlich.
Beim Fressen legt Benjamin seine anfängliche Schüchternheit ab und zeigt durchaus Staubsaugerqualitäten. Eben gerade liegt er neben mir auf dem Sofa, seufzt zufrieden und zuckt im Traum mit den Pfoten.
Alles Liebe